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Kortner
Leidenschaft und Eigensinn

„Denn er hat immer gesagt, nach Hitler kann man ganz bestimmte Töne und Sounds nicht mehr benutzen, und deswegen ist die Tatsache, von dem Gebrüll und dem Getöne herunterzukommen, ohne die Musikalität, die Plastizität und auch die Künstlichkeit des Sprechens aufzugeben, seine grandiose Leistung“ sagt Peter Stein über Fritz Kortner, den vielleicht größten deutschen Schauspieler und Theaterregisseur des 20. Jahrhunderts. Aber wer war Kortner?

Kortner - Leidenschaft und Eigensinn vermittelt ein neues Bild des gebürtigen Wiener Juden an Hand von kaum bekannten Fotografien und Filmausschnitten. Fritz Kortner (1892-1970) begann seine Laufbahn im frühen Stummfilm und naturalistischen Theater. Bald wurde er ein Star des expressionistischen Theaters und Kinos, arbeitete zusammen mit dem Bühnenmagier Max Reinhardt, mit Leopold Jessner am Schauspielhaus in Berlin oder mit dem Filmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau. Diese Spannweite von Kortners künstlerischen „Durchläufen“ – vom Naturalismus zum Expressionismus – mutet heute geradezu abenteuerlich an. Kortners Bekanntschaft mit dem jungen Brecht und das gemeinsame Ringen um einen neuen „kreatürlichen“ Realismus wurde durch die Machtergreifung der Nazis jäh unterbrochen. 1933 emigrierte Fritz Kortner nach London. Dort konnte man ihn in exotischen Rollen im englischen Unterhaltungskino der 30-er Jahre sehen. Dann ging er in die USA (1937), wo er als Schriftsteller, Drehbuchautor und Gimmick Man - vor allem auch für Hollywoods Anti-Nazi-Kino - arbeitete.

Kortner war einer der ersten jüdischen Rückkehrer (1947). Mit seiner Arbeit als Regisseur in Deutschland wollte er an die Zeit vor Hitler wiederanknüpfen. Als ein Unbequemer im Theaterbetrieb, der in seinen Augen mehr und mehr zur Routine erstarrte, weckte er Ressentiments, galt seinen Gegnern als paranoider, brutaler, egozentrischer Remigrant. Für ihn selbst war es das Hauptanliegen, die Nachkriegsbühne wieder mit dem Geist der großen deutschen Theatertradition zu beleben.

Eine ganze Generation von Schauspielern und Regisseuren, „die skeptische Generation“, erlebte ihre Jugend im Theater mit dem alten Kortner. Welche Spuren hat er bei seinen Schauspielern hinterlassen? Klaus Maria Brandauer, Rolf Boysen, Thomas Holtzmann, Doris Schade, Otto Schenk, Gisela Stein erzählen von Temperament und Eigensinn, von Unnachgiebigkeit und Zartheit dieser Vaterfigur. Ivan Nagel, Kortners Dramaturg, und Peter Stein, in jungen Jahren Regieassistent bei Kortner, beschreiben seine Arbeitsweise und seine Bedeutung für die deutsche Theatergeschichte. Marianne Brün, Kortners Tochter, erzählt aus eigenem Erleben anschaulich über diese wenig bekannte Emigrationszeit und von anderen entscheidenden Wendepunkten im Leben ihres Vaters.

Kortner - Leidenschaft und Eigensinn sucht nicht den „Menschen hinter der Maske“, sondern zeigt die Rollen und Masken, die Fritz Kortners Leben ausmachten.



Filmstills

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Filmcredits
Kortner
Leidenschaft und Eigensinn

Mit Marianne Brün, Klaus Maria Brandauer, Rolf Boysen, Thomas Holtzmann, Ivan Nagel, Doris Schade, Otto Schenk, Gisela Stein und Peter Stein

Eine Auftragsproduktion der Andreas Lewin Filmproduktion für den Südwestrundfunk und den Rundfunk Berlin Brandenburg

2004
60 min
Digi-Beta
Kamera Wojciech Szepel
Ton Jan Weymann
Montage Sabine Brose (BFS)